Werbung pur oder Werbung light?

Tipps zu rechtlich zulässigem Apothekenmarketing vor dem Hintergrund von Rechtsprechung und Standesrecht
Von Anette Oberhauser, Rechtsanwältin

I. Der Zeitgeist

Das Berufsbild des Apothekers hat sich im späten 20. Jahrhundert grundlegend gewandelt. Apotheken sind heute moderne Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen auf dem Gesundheitssektor. Sie sind nicht nur verlängerter Arm der Ärzteschaft bei der Weitergabe ihrer Verordnungen oder gar Absatzhelfer pharmazeutischer Unternehmen, sondern treten wie andere Unternehmen auch, mit eigenem Profil und eigener Geschäftsidee am Markt auf: Im Bereich der Schulmedizin haben sich Apotheken zwar aus nahe liegenden Gründen nicht auf bestimmte Sortimente spezialisieren können und dürfen. Im Bereich der alternativen Heilverfahren und des sog. Randsortiments ist jedoch eine Schwerpunktsetzung im Angebot zu beobachten. Hier sind Apotheken relativ frei in ihren unternehmerischen Entscheidungen.

II. Der rechtliche Rahmen

Vor diesem Hintergrund wurden Werbeverbote für Apotheker durch die Rechtsprechung in den 90er Jahren sukzessive gelockert. Welche Werbeformen und welche Häufigkeit der Werbung als üblich, als angemessen oder als übertrieben bewertet werden, unterliegt nämlich zeitbedingten Veränderungen.. an denen sich Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsbereitschaft der Verbraucher und damit auch die Beurteilung der Frage, welche Werbung übertrieben ist, orientiert. Dies hat auch die Rechtsprechung erkannt. Werbung außerhalb Apotheken ist grundsätzlich erlaubt. Ein Grundsatz enthält jedoch im Kern schon seine wesentlichen Ausnahmen: Nach wie vor unterliegen Apotheken dem einschlägigen Berufrecht der Kammern in den Bundesländern und dürfen sich überdies keine rechtswidrigen oder gar unlauteren Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Apotheken verschaffen. Immer noch hat der Apotheker nämlich eine öffentliche Pflichtenstellung inne, nämlich die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln zu versorgen. Daher ist die berühmt gewordene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.5.1996 – Az: 1 BvR 1519/91 – auch heute noch aktuell.

Die Liberalisierung durch die Rechtssprechung bedeutete vor allem, dass Werbeverbote durch das Standesrecht, für das die Kammern nur „Quasi-Gesetzgeber“ sind, nicht noch strenger sein dürfen als die einschlägigen – in der Hierarchie der Normen höher stehenden Gesetze des Bundestages. Die Außendarstellung der Apotheker muss nicht mehr auf sachliche Informationen über die berufliche Betätigung beschränkt bleiben, die darf auch Elemente von Anpreisung und Reklame enthalten. Die Liberalisierung wirkt also ähnlich wie ein Präparat mit Wirkstoffkombination: Während früher nur Monopräparate (also vereinzelte, sehr zurückhaltende Öffentlichkeitsauftritte) gestattet waren, sind jetzt auch Kombi-Präparate mit neune Wirkstoffen zulässig: Die Apotheke kann jetzt mit einem Gesamt-Marketing-Konzept präsentiert werden, in dem – zumindest für das Randsortiment (Kosmetika, leicht dosierte Nahrungsergänzung, Haustees und Süßwaren, also apotheken) – auch kaufmännische Werbemittel gestattet sind. Das Breitband-Medikament (jede nur denkbare Werbemaßnahme) hat aber nach wie vor keine Zulassung.

Möchte man nun für eine Apotheke werben, sollte man sich folgende Gedanken machen:

  • Soll die Werbung das Randsortiment präsentieren? Verschreibungspflichtige Arzneimittel können nach wie vor nicht in Apotheken beworben werden! Arzneimitteversorgung hat Vorrang, sie darf durch die Erweiterung und Organisation des Randgeschäfts nicht beeinträchtigt werden. Auf diesem Sektor darf den Apothekern die Verwendung eines Werbemittels nicht generell untersagt werden, denn im Hinblick auf apothekenfreie Arzneimittel und das Randsortiment stehen Apotheken im allgemeinen Wettbewerb und müssen werbend auf sich aufmerksam machen dürfen.
  • Steht die Produktpalette der Apotheke im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge? Da der Apotheker auch bei der Kontrolle des Betäubungsmittelverbrauchs und der Verhütung des Arzneimittelmissbrauchs mitwirkt, darf er in der Apotheke nur solche weiteren Waren anbieten, die mit den in § 1 ApG genannten Aufgaben im Rahmen der Gesundheitsfürsorge im Zusammenhang stehen.
  • Soll die Werbung frei verkäufliche Arzneimittel anpreisen? Hier gilt ähnliches wie beim Randsortiment, jedoch ist eine Selbstbedienung nach wie vor nicht zulässig.
  • Soll die „Werbung“ den guten Ruf der Apotheke an Standort fördern oder ist die bezogen auf die Produktpalette? Hier ist ein Apotheker grundsätzlich frei, seine Unternehmensphilosophie zu präsentieren, solange er dies nicht in einem weißen Kittel tut. Werbung in Berufskleidung ist nach wie vor ausgeschlossen! Ebenfalls ausgeschlossen ist die Werbung mit Selbstverständlichkeiten, etwa ständiger Fortbildung. Sportsponsoring ist dem Apotheker ebenfalls gestattet, da Breitensport ein Aspekt der Gesundheitsvorsorge sein kann.
  • Ist die Maßnahme geeignet, konkurrierenden Apotheken und anderen Apotheken zu schaden? Falls ja, macht das die Werbung nicht unzulässig solange sie nicht marktschreierisch bzw. unlauter und irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts ist. Apotheker genießen nämlich im Vergleich zu anderen Unternehmen keinen größeren Konkurrenzschutz und dürfen daher Werbeverbote nicht ohne weiteres instrumentalisieren, um ihre Konkurrenz möglichst klein zu halten. Erfolgreiche und professionelle Werbung ist nicht per se unkollegial!
  • Dient die Maßnahme der Information der Bevölkerung über Gesundheitsprävention und wichtige Volkskrankheiten? Wirkt die Information einem Arzneimittelfehlgebrauch entgegen? Falls ja, ist sie zulässig!

Die Beantwortung dieser Fragen ist um so wichtiger, als Apotheker nicht nur mit anderen Apothekern, sondern bezüglich Teilbereichen des Sortiments – mit anderen (gewerblichen) Unternehmen (wie etwa Drogerien und Kaufhäusern) im Wettbewerb stehen.

III. Beispiel: Werbebriefe, Flugblätter, Postwurfsendungen?

Wendet man diese Checkliste auf Printwerbung durch Postwurfsendungen, ergibt sich folgendes differenzierendes Bild: Postwurfsendungen, ähnlich den Broschüren der Supermärkte, sind – mit aller Vorsicht – zulässig, soweit sie nur das Randsortiment bewerben. Werbebriefe mit direkter Adressierung sind nur an den bestehenden Kundenstamm zu übersenden und sollten nicht zur Neuakquise verwendet werden. Es besteht die Gefahr, dass dies als „marktschreierisch“ bewertet wird. Für Flugblätter kommt es maßgeblich auf der Inhalt an, der dezent und zurückhaltend gestaltet sei sollte und auf den Ort, wo sie verteilt werden: Man sollte diese nicht in der Fußgängerzone wahllos verteilen, sondern nur bei Institutionen auslegen, die sich der Gesundheitsvorsorge verschrieben haben.

Zur Begründung sei eine Zusammenfassung der Rechtsprechung herangezogen: Ein generelles Verbot bestimmter Werbemittel und Werbeträger (hier Flugblätter und Postwurfsendungen), darf seitens der Kammern nicht ausgesprochen werden, da auch die Werbung außerhalb der Apotheke, insbesondere die Versendung von Werbebriefen, die Verteilung von Flugblättern sowie die sog. ortsfeste Unternehmenswerbung sachliche Aussagen enthalten und sachlich informieren kann. Ein Werbemedium ist nicht per se unangemessen und generell geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Werbenden zu schmälern. Ob Werbung außerhalb der Apotheken mittels Werbebriefen oder Flugblättern übertrieben erscheint, lässt sich nur aus der Verbindung von Werbeträger und Werbeaussage unter Berücksichtigung ihrer Gestaltung und ihrer Häufigkeit entscheiden.

Instruktiv sind hier auch die Ausführungen der Rechtsprechung zum Aufstellen von Werbetafeln und Verkaufsschütten auf dem Gehsteig:
Der Umstand, daß sich die auf dem Gehsteig aufgestellten Werbeträger den Passanten buchstäblich in den Weg stellen, beschreibt lediglich die Art ihrer Wirkung, rechtfertigt für sich genommen aber noch nicht den Schluss, daß es sich um übertriebene Werbung handelt. Werbung für das Randsortiment ist jedenfalls nicht allein deshalb aufdringlich, weil sich der Apotheker derselben Methoden bedient, die auch von anderen Kaufleuten beim Handel mit denselben Artikeln verwendet werden.

Das heißt: Bei Beurteilung der jeweiligen Werbung alle maßgeblichen Umstände gewürdigt werden. Neben dem Charakter und der Aufmachung der Werbung sind beispielsweise die beworbenen Zielgruppen zu berücksichtigen. Handelt es sich um Produktgruppen wie Heilkräuter, Biokost, Gewürze für die Weihnachtsbäckerei oder Sortimentsgruppen für Sportler, für den Urlaub oder für Mutter und Kind oder werden die Produktgruppen nur in spezialisierten Fachzeitschriften beworben liegt der Werbeumfang weit unterhalb der Schwelle, die heute im seriösen Einzelhandel üblich ist.

IV. Fazit: Chancen und Risiken

Nach alledem können damit aus dem Werbeverhalten der Verkaufsstellen für apothekenfreie Arzneimittel und demjenigen der Heilmittelhersteller und Drogerieprodukten Anhaltspunkte gewonnen werden, welche Art Werbung für den Apotheker zulässig ist. Als Freiberufler und Gewerbetreibendem sind ihm neuzeitliche Werbemöglichkeiten und -techniken (etwa Sponsoring) nicht von vornherein verwehrt. Da aber die Rechtssprechung eine Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles, d.h. etwa von Werbeträger und Aussagegehalt oder Aufmachung und Häufigkeit der Verwendung verlangt, unterliegt der Apotheker nach wie vor dem Risiko bei einer Werbemaßnahme „daneben zu liegen“. Ob eine Maßnahme (un)zulässig ist kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Grundsätze der Rechtssprechung sind nicht auf jeden Einzelfall übertragbar. Es ist daher ratsam, jede Werbemaßnahme anhand obiger Checkliste zu reflektieren. Werbung kann nebenwirkungsfrei nach wie vor nur als Trockenpulver (Information) oder in homöopathischer Potenz (dezent) bei eingeschränkter Indikationsstellung (Rand und Nebensortiment) verabreicht werden.