Das Gericht nimmt Stellung dazu, wie Medikamente von Nahrungsergänzungen und functional food abzugrenzen seien. Dies geschieht am Beispiel einer Zubereitung aus Ginsengpflanzen.
Bei dem streitgegenständlichen Präparat, koreanischen Ginseng in Wurzelscheiben, handelt es sich um ein Arzneimittel gemäß § 109 a III AMG, also solche Arzneimittel, die aus traditioneller Verwendung in Deutschland zugelassen sein können. Läuft eine solche Zulassung aus, kann der Pharmahersteller eine Nachzulassung verlangen, wenn er Gegenanzeigen und Nebenwirkungen richtig angibt.

Insoweit kann die Arzneimittelbehörde dem Hersteller auch Pflichtauflagen machen, also bestimmte Kontraindikationen ausdrücklich zu nennen. In strebte Urteil drehte die Beschwerdeführerin (der Pharmahersteller) an, eine Gegenanzeige für Schwangerschaft uns Stillzeit nicht bringen zu müssen, da der Ginseng vollständig unbedenklich sei.

Wann jedoch ein Arzneimittel völlig unbedenklich sei, ergibt sich nicht nur aus den Auffassungen des Herstellers hierzu selbst, der Ginseng als traditionelles Mittel gegen Schwangerschaftsbeschwerden sieht. Das Gericht verpflichtete die Beschwerdeführerin die Kontraindikationen doch zu nennen. Schwangere seien ganz besonders Schutzbedürftig und damit sei es dem Hersteller zumutbar solche Gegenanzeigen in den Beipackzettel aufzunehmen. Auch die potenzielle Möglichkeit einer Schädigung reche schon. Dies gilt auch dann, wenn in der bisherigen traditionellen Verwendung keinerlei Schäden bekannt geworden sind.

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 3 B 187.05 OVG 13 A 4090/03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 27. Juni 2006 beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

11. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilte der Klägerin mit Bescheid vom 16. September 1999 die Verlängerung der Zulassung (sog. Nachzulassung) für das Arzneimittel „Koreanischer reiner roter Ginseng, Wurzelscheiben“.
Das Arzneimittel ist in die Traditionsliste nach § 109a Abs. 3 AMG eingetragen.

Durch der Nachzulassung beigefügte Auflage gab das Bundesinstitut der Klägerin auf, in die Packungsbeilage folgende Gegenanzeige aufzunehmen:
Was müssen Sie in Schwangerschaft und Stillzeit beachten? Koreanischer reiner roter Ginseng, Wurzelscheiben, soll wegen nicht ausreichender Untersuchungen in Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden.

Auf die Klage der Klägerin hob das Verwaltungsgericht die Auflage als rechtswidrig auf.
Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde erhebt die Beklagte die Grundsatz- und die Divergenzrüge.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor. [Anmerkung: Dies bedeutet, die Gegenanzeige muss nicht aufgenommen werden!]

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen würden sich in einem Revisionsverfahren sämtlich nicht stellen, weil es auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und von der Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auf sie nicht ankommt. Das gilt zunächst für die Frage, ob § 109a Abs. 3 AMG dahingehend auszulegen ist, dass im Rahmen der dort vorgesehenen Aufstellung von Anwendungsgebieten
für Stoffe und Stoffkombinationen auch Gegenanzeigen aufzuführen sind.

Das Berufungsgericht hat hierzu im Kontext der Frage Stellung genommen, ob die Aufnahme in die Traditionsliste neben der ausdrücklich angesprochenen Wirksamkeit des Arzneimittels auch dessen nicht eigens genannte Unbedenklichkeit belegt. Es bejaht dies mit der Folge, dass etwaige Zweifel an der Unbedenklichkeit durch eine Auseinandersetzung über die Richtigkeit der Traditionsliste geklärt werden müssten. Im Weiteren führt das Berufungsgericht jedoch aus, dass vorliegend auch im Hinblick auf die in der Auflage angesprochene Anwendung des Arzneimittels durch Schwangere und Stillende keinerlei Anhaltspunkt für eine Bedenklichkeit des Arzneimittels besteht. Vielmehr könne nicht einmal von einer Erschütterung des Anscheins der Unbedenklichkeit die Rede sein (UA S. 14). Liegt danach der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG a.F. nicht vor, so kommt es auf die Frage, ob einer etwaigen Bedenklichkeit des Arzneimittels für bestimmte Anwender schon in der Traditionsliste Rechnung getragen werden müsste, nicht an.

Ebenso wenig wäre in einem Revisionsverfahren die Frage zu klären, ob § 28 Abs. 2 AMG, insbesondere dessen Ziff. 3, die zuständige Bundesoberbehörde ermächtigt, einen pharmazeutischen Unternehmer zu verpflichten, eine relative Gegenanzeige in den Text der Gebrauchsinformation aufzunehmen, ohne dass es zugleich einer Teilversagung der Zulassung bedarf. Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, die streitige Auflage sei rechtswidrig, weil sie nur die Packungsbeilage betreffe, ohne mit einer entsprechenden Einschränkung der Zulassungsentscheidung zu korrespondieren. Zusätzlich hat es seine Entscheidung aber auch darauf gestützt, dass keine der in Betracht zu ziehenden Auflagenermächtigungen hier tatbestandsmäßig erfüllt sei. So heißt es auf S. 22 des Urteils ausdrücklich, unabhängig von der Frage der Verknüpfung von Zulassung und Auflage sei eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1a AMG nicht ersichtlich. Dies wird von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Auch die von der Beschwerde angeführten Regelungen des § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG sowie § 28 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 6 AMG lassen Auflagen, die auf eine wesentliche Einschränkung des Anwenderkreises hinauslaufen, nicht voraussetzungslos zu. So setzen Gegenanzeigen zum Schutz besonderer Personengruppen wie Kinder, Schwangere oder stillende Frauen nach § 11 Abs. 1 Satz 6 AMG voraus, dass eine solche Angabe nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist. Eben daran fehlt es aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts.

Das streitige Präparat ist seit langer Zeit und mit weiter Verbreitung im Einsatz, ohne dass irgendwelche Hinweise auf mögliche Schädigungen der Anwender vorlägen. Das gilt gerade auch für die Personengruppe der Schwangeren, da das Arzneimittel traditionell auch zur Bekämpfung von Schwangerschaftsbeschwerden eingenommen wird. Erkenntnisse der Wissenschaft, die es gleichwohl erforderlich machen würden, Schwangere von diesem Arzneimittel fernzuhalten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; einen Rechts- oder Verfahrensfehler zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von dem in der Beschwerde genannten Urteil des Senats vom 14. Oktober 1993 BVerwG 3 C 21.91 BVerwGE 94, 215 ab. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung in Auslegung einer bestimmten Rechtsnorm einen Rechtssatz entwickelt, der einem vom Bundesverwaltungsgericht oder einem der anderen dort genannten Gerichtshöfe aus derselben Rechtsnorm hergeleiteten Rechtssatz widerspricht. Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat im Rahmen des § 109a Abs. 3 AMG angenommen, dass die Wirksamkeit des Arzneimittels im Sinne dieser Vorschrift die Unbedenklichkeit einschließe. Dabei hat es sich insbesondere auf den Sinn und Zweck der Regelung gestützt. Dagegen betraf das Urteil des Senats vom 14. Oktober 1993 die Vorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 4 AMG betreffend die Feststellung der Wirksamkeit eines Arzneimittels im Zulassungsverfahren und die Bedeutung etwaiger Nebenwirkungen. Beide Entscheidungen bezogen sich mithin nicht nur nominell auf unterschiedliche Rechtsnormen; die jeweiligen Bestimmungen sind auch nach ihrem Kontext und Regelungszweck nicht gleichzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.